Insurance Monday: Digitalisierung & Versicherung
Willkommen zum #1 Podcast der Versicherungsbranche. Erhalte alle 2 Wochen spannende News und Interviews mit CEOs, Startups und Expert:innen aus der Branche.
Denn noch nie waren die Veränderungen der Digitalisierung so stark zu spüren. Banken und Versicherungen müssen sich mit Themen wie digitale Transformation, New Work, Disruption, Plattformen, InsurTechs und digitalen Geschäftsmodellen auseinandersetzen.
Mit Insurance Monday haben wir es uns zur persönlichen Aufgabe gemacht, alles Wissenswerte aus der Branche auf eine informative und unterhaltsame Art zu vermitteln. Unsere Hörer:innen profitieren von den Learnings und Tools erfolgreicher und inspiriender Macher:innen.
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Insurance Monday: Digitalisierung & Versicherung
Herbert Fromme über KI, Vertrieb und die Zukunft der Versicherungsbranche
In dieser Episode haben wir einen ganz besonderen Gast: Herbert Fromme, einer der profiliertesten und bestinformierten Journalisten der Versicherungsbranche. Mit jahrzehntelanger Erfahrung – unter anderem bei Reuters, der Financial Times Deutschland, der Süddeutschen Zeitung und als Gründer des Versicherungsmonitors – analysiert Herbert messerscharf, was die Assekuranz aktuell bewegt.
Gemeinsam mit den Hosts Alexander Bernert, Sebastian Langrehr und Simon Moser spricht Herbert Fromme heute darüber, wie die Versicherungsbranche mit Themen wie Digitalisierung, KI, Konsolidierung und Kostendruck umgeht – und warum das oft an der Oberfläche mehr brodelt, als man denkt. Er nimmt kein Blatt vor den Mund: Herausforderungen im Vertrieb, technologische Schulden, ein starker Fachkräftemangel und der dringende Handlungsbedarf in den Chefetagen sind nur einige der spannenden Themen, die auf den Tisch kommen.
Euch erwartet ein ehrlicher, manchmal auch provokanter Blick hinter die Kulissen: Was macht die Versicherungsbranche aktuell aus – und was muss sich dringend ändern, damit sie zukunftsfähig bleibt? Außerdem erfahrt ihr, warum Herbert Fromme beinahe Pfarrer oder Pilot geworden wäre und welche berühmten letzten Worte er für die Branche bereithält.
Lehnt euch zurück und freut euch auf eine Folge voller exklusiver Insights, klarer Meinungen und pointierter Analysen – viel Spaß beim Hören!
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Dominik Badarne [00:00:00]:
Hallo und herzlich willkommen zum Insurance Monday Podcast, Kleingedrucktes aus der Finanz- und Versicherungswelt. Dein Podcast mit spannenden Insights und exklusiven Gästen aus der traditionellen und digitalen Finanzwelt.
Simon Moser [00:00:26]:
Herzlich willkommen zu 1 ganz besonderen Folge des Insurance Monday Podcasts. Mein Name ist Simon Moser und heute haben wir jemanden zu Gast, bei dem Vorstände die Freisprechanlagen abschalten und PR-Teams die Brandmelder testen. Herbert Fromme. Herbert kennt die Branche seit Jahrzehnten aus nächster Nähe. Unter anderem durch Stationen bei Reuters, der Financial Times Deutschlands und heute als Versicherungskorrespondent der Süddeutschen Zeitung sowie als Herausgeber des von ihm gegründeten Versicherungsmonitors. Seinen Ruf fundiert direkt ohne Blatt vor dem Mund. 2023 wurde er vom Fachmagazin WirtschaftsjournalistIn unter die führenden Wirtschaftsjournalisten des Jahres gewählt. Branchenkenner beschreiben ihn als wohl bestinformierten Beobachter der Assekuranz.
Simon Moser [00:01:10]:
Kurz, wenn Herbert anruft, hören Entscheidungsträger genau hin. Schön, dass er heute bei uns ist. Willkommen Herbert.
Herbert Fromme [00:01:16]:
Ja, vielen Dank für die Blumen, aber noch habe ich sie mir nicht verdient.
Simon Moser [00:01:21]:
Schauen wir mal, was es gibt. Mit mir heute vom Insurance Monday Team Sebastian Langrea und Alexander Bernhard. Schön, dass ihr dabei seid. Kurze Vorstellung hatten wir schon, aber wie bei jedem Gast würden wir dich kurz bitten, Herbert, der Hörer, schaff doch mal kurz deinen Weg aufzuzeigen in der Versicherungsbranche. Gerne auch mal darauf eingehen, was sich denn zur Gründung des Versicherungsmonitors bewegt hat?
Herbert Fromme [00:01:50]:
Ich bin Wirtschaftsjournalist, ich hatte nicht immer mit Versicherungen zu tun. Ich habe viele Jahre über Schifffahrt geschrieben, über Energie, vor allem Erdgas, über Wirtschaftsprüfung. Das war alles für die Financial Times. Und das mit der Versicherung war ein bisschen Zufall, weil ich war ein lang in England und als ich nach Deutschland gegangen bin, gab es ein englisches Blatt für Schifffahrt und Versicherung, Lloyds List, die älteste damals bestehende Tagestaten der Welt. Die suchten jemanden, der in Deutschland für sie diese Branchen abdeckt, dann bin ich halt, habe ich auch Versicherung gemacht. Aber dann später war Energie meine Hauptbranche und seit, ja seit etwa 20 Jahren jetzt die Versicherungswirtschaft. Viel zu lange aus Sicht der Journalisten. Ich musste alle 6, 7 Jahre die Branche wechseln, aber ich war jung und brauchte das Geld.
Herbert Fromme [00:02:39]:
Da habe ich dann nicht dabei geblieben.
Simon Moser [00:02:41]:
Apropos ich war jung und brauchte das Geld. Der Versicherungsmonitor gehört ja mittlerweile, so wie man das liest, einem großen dänischen Konglomerat. Was hat dich denn dazu bewegt, den zu verkaufen? War es, ich war mittlerweile ein bisschen älter und brauchte das Geld oder irgendwas anderes?
Herbert Fromme [00:02:59]:
Das ist der Hauptgrund. Also es ist die Frage, wie sowas weitergeht. Die Dänen, die das gekauft haben, das ist die Gruppe JP Politikens Fuß, das sind die beiden Tageszeitungen, Hüllands Posten und Politiken. Die haben in Dänemark 20 Newsletter, so wie wir, also alles B2B-Geschäft, starke Fachredaktion, etwa 1000 bis 1500 Euro Jahresgebühr für ein Abonnement. Das ist dasselbe Prinzip und die wissen also, was sie tun und für mich war halt die alternative MWB, da bleibe ich bis zu meinem Lebensende da irgendwie drin als Besitzer oder ich verkaufe das und für die Kolleginnen und Kollegen ist es glaube ich ziemlich gut, dass der alte Sack da mal langsam sich verabschiedet und ich bin Herausgeber, das bleibe ich auch, des Dienstes, den ich gegründet habe. Aber die Chefredakteure Friederike Krieger und Patrick Hagen machen das sehr gut und ich halte mich aus dem Tagesgeschäft weitgehend raus.
Simon Moser [00:04:00]:
Ja, Herbert, vielleicht als kurze persönliche Einstiegsfrage. Wenn du kein Wirtschaftsjournalist geworden wärst, was hättest du stattdessen gemacht? Bei mir war es, glaube ich, mein erster Berufswunsch war Müllmann, der großen, orangenen, schönen Wegenwegen. Aber so hat ja jeder seinen eigenen Weg. Was wäre es bei dir geworden?
Herbert Fromme [00:04:19]:
Also interessanterweise wollte ich bis zum 15. Lebensjahr Pfarrer werden. Da war ich auch sehr begeistert in der Kirche.
Simon Moser [00:04:28]:
Evangelisch oder katholisch?
Herbert Fromme [00:04:30]:
Evangelisch. Und Dann nicht mehr. Und dann bin ich auch ausgetreten, weil ich diesen Glauben nicht mehr hatte. Ich hatte einen tollen Pfarrer, der gesagt hat, wenn man nicht mehr glaubt, soll man austreten. Das habe ich dann gemacht. Und dann kam ziemlich früh der Journalist. Da war nichts mehr dazwischen. Also, Wenn ich die freie Wahl hätte, hätte ich irgendwas mit Fliegen gemacht.
Herbert Fromme [00:04:50]:
Also ich fliege unheimlich gerne, also als Passagier natürlich kann ich fliegen, aber Pilot wäre ich gerne geworden. Das wäre zum Beispiel ein Job, der mir einfach Von der Anmutung her unheimlich gut gefällt. Jetzt als Freizeithobby bleibt das Drohnenfliegen übrig. Ist natürlich kein Vergleich.
Simon Moser [00:05:09]:
Ist auch ein bisschen sicherer, das stimmt. Aber natürlich mit ein bisschen weniger Fame verbunden. Die schicke Uniform macht natürlich schon was her. Dann kommen wir doch, würde ich mal sagen, zu unserer Lieblingskategorie zu Beginn, nämlich die schnellen 5. Ich lese 5 Fragen vor. Es gibt immer 2 Auswahlmöglichkeiten. Du musst dich für eine davon entscheiden. Bitte direkt auch aus dem Bauch raus.
Simon Moser [00:05:32]:
Wir brauchen in dieser Kategorie keine großen Erklärungen. Ich starte mal ganz leicht. Karneval oder Oktoberfest?
Herbert Fromme [00:05:39]:
Karneval.
Simon Moser [00:05:40]:
Gut. Zeitung am Frühstückstisch oder News-App auf dem Handy?
Herbert Fromme [00:05:45]:
Zeitung.
Simon Moser [00:05:47]:
Sehr gut. Museumsonntag oder Fußballsamstag?
Herbert Fromme [00:05:51]:
Es ist unfair, weil ich beides mache, aber wenn ich die Wahl hätte, Fußballsamstag.
Simon Moser [00:05:55]:
Sehr gut. Jetzt eine eher Fachfrage. Ist Digitalisierung, im Moment da ist ein Wortspiel mit drin, muss ich schon mal anknügeln, dass das auch alle verstehen, dass das mit drin ist. Ist Digitalisierung in der Versicherungsbranche auf einem guten Weg oder bleibt sie ein frommer Wunsch?
Herbert Fromme [00:06:11]:
Ha ha, Sie ist auf einem Weg, aber ob er gut ist, werden wir noch mal besprechen.
Simon Moser [00:06:19]:
Alles klar. Letzte Frage. Makler oder Direktvertrieb?
Herbert Fromme [00:06:24]:
Das ist so ähnlich. Wahrscheinlich der direkte Maklervertrieb.
Simon Moser [00:06:29]:
Alles klar. Dann würde ich für die erste Kategorie an Alex übergeben.
Alexander Bernert [00:06:34]:
Ja, Herbert, es war in den letzten Jahren viel Druck auf den Versicherern. Es gab Start-ups, die die Branche aufmischen wollten. Die sind jetzt aber nicht so erfolgreich, verschwinden oder gliedern sich eher als Dienstleister ein. Die Zinsen sind auch wieder gestiegen. Ist die Branche jetzt wieder stabil? Are we back to happy days again? Können sich alle ein bisschen zurücklehnen oder gärt es aus deiner Sicht eher stark unter der Oberfläche?
Herbert Fromme [00:07:00]:
Es gärt sogar an der Oberfläche, wenn man sieht, dass ein mittelgroßer Versicherer wie die Nürnberger sich selber zum Verkauf stellt oder ein Start-up, das gar nicht so schlecht dasteht, wie Element, über Nacht fleite geht. Also das ist nicht unter der Oberfläche nur. Das ist wirklich eine unglaubliche Situation und man kann jetzt die Punkte aufbeschreiben, was los ist. Wir haben natürlich eine globale Weltsituation, da will ich aber nicht groß auf eingehen, aber was mich zum Beispiel an der Trump-Regierung wirtschaftspolitisch am meisten stört, ist, dass sie die Banken dereguliert. Das hat sie 2018, hat Trump das schon mal gemacht, die kleinen und mittleren Banken dereguliert. Dann kam dann 4 Jahre später die Krise dieser Silicon Valley Bank und anderer kleiner Banken, was relativ katastrophal war. Die Bankenderegulierung, die wir jetzt haben und vor allem die Deregulierung von Krypto wird auch mit 1 gewissen Verzögerung, 3, 4 Jahre, relativ schwere Folgen haben und bei so 1 globalen Finanzkrise oder selbst im großen Wetter leuchten da sind Versicherer immer auch betroffen. Also das einmal außen vor.
Herbert Fromme [00:08:10]:
Wenn man mehr auf den Heimatmarkt guckt, habe ich den Eindruck, dass so 5 Aufgaben da sind, die die dringend machen müssen. Das erste ist, sie müssen dringend konsolidieren und zwar viel schneller als sie glauben. Das zweite ist, sie müssen die Vertriebe entmachten. Sie müssen die Fondsfinanz, DVRGs, MLPs dieser Welt entmachten. Das dritte ist, Sie müssen mit Macht die Kosten senken. Viertens, Sie müssen die IT sehr schnell, wirklich sehr schnell umbauen und dabei auch KI-Techniken anwenden. Und das fünfte, und das ist wahrscheinlich das am meisten Unterschätzte, Sie müssen mit den Herausforderungen durch die KI fertig werden, die dadurch entstehen, dass die Kunden die KI haben und die großen Internetkonzerne, ob Google oder Microsoft oder Apple künftig auch, ihre Kunden mit diesen Werkzeugen ausrüsten. Also die Kunden sind mit KI bewaffnet und der Versicherer überlegt, ob er in 3 Jahren sowas einführt.
Herbert Fromme [00:09:13]:
Das wird nicht gut gehen. Das sind die 5 Punkte, wo Handlungsbedarf ist, und zwar dringend.
Alexander Bernert [00:09:18]:
Das Thema KI, da kurz reinzugehen, das kann ja auch gerade bei dem Thema Vertrieb vielleicht helfen, kann auf der anderen Seite auch dazu führen, dass ja auch die Vertriebe mehr KI verwenden. Also KI ist sicherlich auf jeden Fall ein Game Changer für alle Elemente der Wertschöpfungskette. Aber wenn du davon sprichst, die Vertriebe zu entmachten, dann heißt das ja im Grunde genommen, sollen die Versicherer wieder den Kundenkontakt zurückbekommen und wirklich die Nähe zum Kunden, die sie in gewissem Sinne nie hatten, die Komplexität ihrer vielen, zumindest Privatkunden, wurde ja eigentlich immer durch irgendeinen Vertrieb moderiert.
Herbert Fromme [00:09:58]:
Also wollen wir über KI reden oder wollen wir über Vertrieb reden? Oder beides?
Simon Moser [00:10:03]:
Beides.
Herbert Fromme [00:10:04]:
Beides? Dann sprechen wir erst über KI, ja? Und dann über Vertrieb. Bei KI ist es ja so, wenn du mit Versicherungschefs sprichst und dann sagen sie, ja wir machen dieses und jenes und in der Risikobeurteilung ein bisschen, aber beim Schaden ganz viel. In der Verwaltung wollen wir auch, also KI ist für ganz wichtig. Und dann frage ich, was ist denn, wie gehen Sie damit dass die Kunden die KI einsetzen? Dann die Antwort, wörtlich so gefallen, Sie meinen die Industriekunden. Nein, die Endkunden. Mir, Ich schmeiß regelmäßig alles, was ich an Wordings, also an Policen, Texten, an Bedingungen und so kriege in Chat-GPT und sage immer, sag mal was Gutes und Schlechtes an der Polize. Heute gerade wieder eine Polize, eine Hausratpolize reingetan und was kam raus, sie ist im Wesentlichen ganz gut, aber wenn du ein Haustier hast, ist sie richtig scheiße. Das steht da sonst nicht dran.
Herbert Fromme [00:10:59]:
Das heißt also, dass künftig die Kunden die Versicherungsbedingungen, die sie nie gelesen haben, mit 1 mächtigen Lupe lesen können. Diese Lupe heißt KI. Und einfach der simple Hinweis, ich habe hier einen Vertrag, was hältst du davon? Aber das ist ja noch die frühe Stufe der KI. Die nächste Stufe ist ja die Agentik-KI, wo die Agenten da sind und dann geht das ja so, dass ich nicht mehr sage, sag mal, welche Versicherer gut sind, sondern ich muss mich haftlich versichern, such die 3 Besten raus und hol Angebote ein und schließ ab. Und da habe ich nichts mehr mit zu tun. Und dann kommt mein Agent und nimmt da Kontakt auf und der geht nicht zu einem Vertriebler, der ihn bequatscht. Also das ist ziemlich unwahrscheinlich. Sondern wenn, dann funkt er seinen Kollegen bei der XY-Versicherung an, bei der Traditionsversicherung, wie wir sie gerne nennen, und sagt, hör mal Bruder KI, was hast du denn zu bieten da? Und dann die beiden anderen auch noch.
Herbert Fromme [00:11:59]:
Und dann sagt er seinem Herren, wenn das denn will, ich nehme den oder er macht es selber, weil er die Vollmacht hat. Und das ist der Punkt. Und mit dieser Tatsache, dass die Kunden mit KI ausgerüstet werden, zwar völlig gratis, das muss man ja nochmal erklären, Das liegt ja daran, dass die Internetkonzerne diesen gewaltigen Werbemarktsuchmaschinen kämpfen. Darum machen sie es gratis. Google legt die tollsten Instrumente gerade raus, alles kostenlos. Und das, damit muss ein Versicherer fertig werden. Aber das kann auch ein Vertrieb. Das wage ich zu bezweifeln.
Herbert Fromme [00:12:31]:
Und da gibt es überhaupt kein Problembewusstsein.
Simon Moser [00:12:35]:
Ja, vielleicht daran anschließend eine Folgefrage. Löst das dann nicht schon ein von dir angesprochenes Problem, nämlich genau die Entmachtung der Vertriebe? Wenn nämlich der Endkunde eigentlich durch Agentic AI in die Lage versetzt wird, gar nicht mehr den Vertriebler zu brauchen. Wofür hat er den bisher genutzt? Weil er sich nicht mit dem Thema auseinandersetzen wollte, weil Versicherung langweilig ist, weil Versicherung komplex ist. Und er keinen Bock hatte, 40 Seiten AVBs zu lesen. Wenn jetzt aber der Agent das Fühlen tut, wird er dann in der Zukunft diesen Vertriebler überhaupt noch brauchen?
Herbert Fromme [00:13:06]:
Also erstmal ist es so, dass solche Übergänge nicht auf einen Schlag passieren. Das ist ja so ein schleichender Übergang. Und zweitens ist es so, dass die Vertriebe so eine Macht haben inzwischen, dass man sich auch vorstellen kann, dass sie dann sagen, wir machen das, also unser Agent macht das, nicht deine Versicherung. Also diese Entmachtung ist tatsächlich dringend nötig.
Sebastian Langrehr [00:13:33]:
Das würde ja auch unterstellen, dass es eine 100% Durchdringung in der Nutzung von KI bedeutet. Also dann wären Sie sozusagen, wenn man das mal formelhaft anschaut, wäre der Vertrieb sozusagen außen vor. Vorausgesetzt auch noch, er nimmt dann nicht eine Rolle ein, wie von dir gerade beschrieben, Herbert. Und wahrscheinlich wird das noch ein bisschen brauchen. Aber meine Frage bezieht sich darauf, jetzt reden wir über KI. Ich glaube auch, wir haben anders als bei anderen Hypes, merken wir, das ist nicht nur ein Buzzword, weil wir gleichzeitig auch flächendeckend in der Nutzung sind, was Technologie angeht, auch auf Nutzerseite. Meine Frage an dich wäre, jetzt haben wir dich schon mal hier in so 1 Runde, und du blickst sozusagen, hast ja gesagt, es gärt nicht nur unten drunter, sondern an der Oberfläche auch. Sind das denn die Top-Themen, die gerade wirklich brennen, oder sind andere Themen eigentlich davor? Also KI ist ja immer noch sozusagen das I-Tüpfelchen an der Innovationsspitze.
Sebastian Langrehr [00:14:31]:
Das muss man sich ja leisten können.
Herbert Fromme [00:14:33]:
Ich glaube, dass aus Sicht der Alltagsarbeit heute, die der Fachkräftemangel zum Beispiel davor ist, aber auch der scharfe Konkurrenz in der Kfz-Versicherung. Wir beide, Sebastian, könnten jetzt eine Liste von 20 dringenden Problemen, ich habe die 5 genannt, wo ich denke, dass Handlungsbedarf ist, aber noch ein Wort zu deinen 100% Durchdringung durch KI. Wann hast du dein erstes Smartphone gekauft?
Sebastian Langrehr [00:14:59]:
Kann ich dir gar nicht genau sagen, aber eher spät.
Herbert Fromme [00:15:03]:
Also 2010 vielleicht, ja?
Sebastian Langrehr [00:15:04]:
Ja, das kommt gut hin.
Herbert Fromme [00:15:06]:
2015 sind sie auf dem Markt. Vorher gab es schon ein paar, da gab es Blackberries und sowas, die Älteren erinnern sich. Und in den 20 Jahren hat jeder sowas, oder? Weil du kannst, wenn du kein Smartphone hast, eigentlich kaum leben. Meine Mutter hatte keins, ist jetzt mit 99 verstorben, aber meine Mutter hatte keins und sie konnte sich im Alltag noch bewegen, weil sie Freunde hatte, die das hatten, aber Sonst ist das, also selbst ein Bankkonto digital führen geht ohne Smartphone nicht, weil du brauchst das für die Bestätigungscodes und so weiter. Mit KI geht das schneller. Und du sagst 100% die Durchdringung. Also Google hat eine Durchdringung von 90% vom Suchmaschinenmarkt, Microsoft von 4%. Und Google teilt jetzt großzügig und in riesen Schritten seinen Nutzern, das sind mehrere Milliarden Abfragen jeden Tag, KI-Werkzeuge aus.
Herbert Fromme [00:16:02]:
Einfach so, weil sie diesen Markt der Suchmaschinenwerbung nicht verlieren wollen. Das geht viel schneller als die 20 Jahre, die wir gebraucht haben für die Durchdringung mit den Smartphones. Und dann, also vielleicht 3 Jahre oder 5 Jahre, und in der selben Zeit macht die KI Fortschritte in Richtung Agentik und dann gibt es ja noch einen weiteren Fortschritt, kennt sich Simon besser aus, dann werden wir tatsächlich sehen, dass alte Geschäftsmodelle ernsthaft in Probleme kommen. Ich habe einen Freund, der ist Künstler gewesen und ein guter Künstler, der ist jetzt auch im Ruhestand, in seinem Zivilberuf, war Lithograph. Sagt der Lithograph noch was, Alex? Weißt du, was ein Lithograph ist?
Alexander Bernert [00:16:45]:
Ja, weiß ich noch.
Herbert Fromme [00:16:46]:
Jemand, der in den, die hat es gegeben in den 80er Jahren noch, da haben die Farbauszüge gemacht aus Fotos, damit die gedruckt werden konnten aus verschiedenen, da wurden rot gedruckt, blau gedruckt, grün, und das musste dann, das war eine hochkomplexe Arbeit. Da gab es 2 Erfindungen in der Zeit und dann waren die Lithografen weg und es gibt keine Lithografen mehr. Vielleicht noch in der Druckerei, die mit Alttechniken aus bestimmten Gründen, aber es gibt die nicht mehr. Die Berufsstand ist verschwunden. Solche Brüche gibt es und das kann auch in der Versicherungswirtschaft passieren. Zum Beispiel der Beruf, der am meisten gefährdet ist wahrscheinlich, ist der des Aktuars. Das brauchst du nicht mehr. Also du brauchst aktuelles Herangehen, aber die Aktuare, die Zahlenknechte brauchst du nicht mehr.
Simon Moser [00:17:32]:
Ja, also das war ja, glaube ich, wenn wir überlegen vor 10, 15 Jahren, was so die Voraussagen waren, welche Berufe dann ersetzt werden und wegautomatisiert werden, dann war es damals ja der Busfahrer, der LKW-Fahrer, vielleicht sogar der Krankenpfleger, der von einem Roboter ersetzt wird. Diese ganzen Jobs sind gesucht ohne Gnade und verschwinden einfach nicht. Und was jetzt plötzlich verschwindet, sind ja eigentlich eher Berufseinsteigerjobs. Also der Junior Softwareentwickler, der...
Herbert Fromme [00:17:58]:
Der Softwareentwickler, genau, Der Programmierer, der muss ja programmieren.
Simon Moser [00:18:02]:
Genau, der Junioranwalt, der nichts anderes macht, als eigentlich Texte zu verbinden und neu zu formulieren. Das sind ja alle Sachen, die KI sehr, sehr gut kann. Wird aber wahrscheinlich auch mit einem Problem einhergehen, denn Die Leute, die wegrationalisiert werden, sind ja zum Großteil Berufseinsteiger. Wenn diese Berufseinsteiger jetzt keine Jobs mehr bekommen, wie sollen die denn jemals Profis werden?
Herbert Fromme [00:18:24]:
Naja, wenn man berechnet, wenn man sieht, dass jemand, wenn er älter ist, viel mehr Geld verdient, dann werden ganz viele Jobs wegfallen von Älteren, wo dann richtig Geld eingespart wird. Das ist ja klar.
Sebastian Langrehr [00:18:36]:
Lass uns nochmal positiv drauf blicken. Denn wenn ich dir richtig zugehört habe, Herbert, sagst du, dass durch KI eben sozusagen die vertriebliche Aktivität übernommen werden kann und du sprichst, und da stimmen wir ja auch überein, vom Fachkräftemangel. Heißt das eigentlich, dass die KI zum Teil den Fachkräftemangel sozusagen positiv aufhebt und Was sind dann die Jobs im Versicherungsbereich, die noch zukunftsfähig sind?
Herbert Fromme [00:19:04]:
Naja, das ist ja eine der Lebenslügen der Versicherungswirtschaft im Moment in Deutschland. Wenn man sagt, wir werden Jobs abbauen mit der KI, dann sagen die, nein, wir brauchen jeden Mann, wir haben so und so viele offene Stellen. Du kannst jemanden, der sein Leben lang ernsthaft und gut Akten bearbeitet hat, was jetzt nicht mehr nötig ist, weil den kannst du nicht zum Kundenberater umschulen, wenn der 55 ist oder 60 und das gemacht hat. Kannst du lange versuchen, Bei manchen geht es vielleicht, aber bei den meisten nicht. Die hatten nicht umsonst sich diesen Job gesucht und keinen anderen. Was die Generalia, die AXA, wir hatten es im Dienst, in der Schweiz haben sich jetzt gerade Leute entlassen, in den USA entlassen die Versicherer Tausende, die großen Versicherer und begründen das auch mit KI-Einführung. Und das ist halt so, gleichzeitig suchen sie andere, nämlich die Leute, die zum Beispiel besser verkaufen können oder sowas, wo es noch nicht mit KI geht. Also die KI wird gewaltige Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt haben und ja sie wird auch auf den Vertrieb Auswirkungen haben und wird da wahrscheinlich dafür sorgen, dass es sehr viel weniger Vertriebler gibt.
Simon Moser [00:20:13]:
Ein Thema, das du angesprochen hattest, das mich interessiert, weil glaube ich da einfach deine Expertise und auch dein Zugang anders als bei uns allen anderen ist. Ist das ganze Thema Versicherer und ihr Kostendruck, ihre nicht super positive aussehenden Bilanzen. Jetzt hattest du die Nürnberger und Ellemann schon angesprochen. Ich gehe mal stark davon aus, dass du eine starke Meinung dazu hast, dass die Pattern, die sich da aufgetan haben, nicht nur diese 2 Versicherer betreffen und dass in Deutschland einige Versicherer stark unter Druck sind. Würdest du uns dazu ein bisschen was erzählen?
Herbert Fromme [00:20:47]:
Naja, das Hauptproblem ist, wenn ich zum Beispiel... Vielleicht muss man eine Stufe zurückgehen. Es gibt diese Kiwi-Studie, das ist das Kölner Institut für Versicherungsinformationen, früher Prof. Fahny, die untersuchen einmal im Jahr die Konzernstrukturen deutscher Versicherer. Und deren Untersuchung unterscheidet sich von vielen anderen, weil sie tatsächlich alles, was zusammengehört, zusammen zählen auch. Und sie rechnen aber nur mit Gesellschaften, die über 50 Millionen Umsatz haben. Und wir haben 71 Versicherungskonzerne, also alles zusammengezählt mit mehr als 50 Millionen Euro Jahresprämie. Und davon haben 49 einen Marktangriff von unter einem Prozent.
Herbert Fromme [00:21:33]:
Die haben aber alle eine IT-Abteilung, eine Rechtsabteilung, einen Vertriebsleiter, einen hochbezahlten Vorstand, das haben die alles. Und wenn man sich dazu kommt, die Macht der Vertriebenden und Maklerverbündeten. Ein normaler deutscher Schadenunfallversicherer hat zwischen 30 und 35 Prozent Kosten, die er ausweist als Kostenquote. Das ist Vertriebskosten und Verwaltungskosten. Und Dazu kommen aber nochmal ungefähr 6 Punkte, muss man rechnen, die in der Schadenposition Schaden drin stecken, die Schadenbearbeitungskosten sind das. Und das heißt, wir haben also Kosten irgendwo zwischen 36 und 41 Prozent. Dazu kommen die Versicherungssteuer, die ist 19 Prozent. Das heißt also, wir haben über 50% von dem, was der Kunde einzahlt, was der Gruppe der Kunden nicht zugutekommt.
Herbert Fromme [00:22:26]:
Und das ist bannig viel. Und wenn dann 1 tatsächlich mal auf den Gedanken kommt, und das können auch wieder die Internetkonzerne sein, sagen wir machen das auch für 40 oder 35, dann hat die Versicherungswirtschaft ein Problem. Und dann, das hat ja alles schon mal angefangen mit Google und so weiter. Und dann heißt es, ja das wollen die nicht, das machen die auch nicht, weil die wollen eine Regulierung, das alles nicht. Stimmt. Aber uns wird gerade vorgeführt in Gestalt der Assekoradöre, dass du einen ganz modernen Versicherer bauen kannst, der 0 Risiko übernimmt, weil als Risikoträger findest du immer einen. Und ich habe mal den Chef der Munich Re gefragt, also wenn Google oder Apple nochmal einen großen Versicherungsassekurateur auflegen, macht ihr den Risikoträger? Natürlich hat er gesagt. Ist doch klar.
Herbert Fromme [00:23:14]:
Also Die Internetkonzerne werden da wieder reinkommen, über kurz oder lang. Und deswegen wird da an der Kostensituation dringend was geändert werden. Wenn du heute einen Versicherer hast, der 80.000 oder 100.000 Kfz versichert hat, Wie soll der mithalten? Wie soll der die Modernisierung hinkriegen? Wie soll der die Tarife überhaupt rechnen, wenn er nicht Hilfe vom Rückversicherer hat? Der hat 3 Ferraris, soll er für die 3 Ferraris dann auch... Also es geht gar nicht. Er muss da schon von außen einkaufen, die Tarifrechnungen und sowas. Und deswegen gibt es ganz viele, die da 80 oder 100 oder 150.000 Fahrzeuge haben, die diesen Bestand gerne loswerden würden und auch schon darüber reden mit anderen Versichern, mit anderen Rückversichern und so weiter. Da ist ganz viel Druck und ganz viel Unzufriedenheit. Und wenn man nochmal zur Lebensversicherung kommt, die deutsche Lebensversicherung zahlt immer noch jedes Jahr 8 Milliarden Euro an Vertriebskosten.
Herbert Fromme [00:24:13]:
8 Milliarden, die sind kundenberechnet. Das ist auch sehr sehr viel, Das wird nicht weniger. Die Branche hat versprochen, dass weniger wird, wird nicht weniger. Diese 8 Milliarden zahlt der Kunde und das geht voll gegen die Erträge der Altersversorgung und kann natürlich nicht richtig sein. Also wir haben 180.000 Vermittler in Deutschland, die Franzosen haben 64.000, die Holländer 7.000. Das ist nicht haltbar.
Sebastian Langrehr [00:24:43]:
Und gleichzeitig Den Trend sehen wir ja, den Rückgang der Vermittler. Und der wird wahrscheinlich auch aus Altersgründen sich noch weiter fortsetzen. Also allein schon aus Altersgründen.
Herbert Fromme [00:24:57]:
Weil kein Neuer kommt, das ist ja klar. Genau, Das
Sebastian Langrehr [00:25:01]:
ist sozusagen ein bisschen wie mit der Demografie. Wir sehen ja die Geburten schon und wissen ja die Berufseinstiege. Eine etwas sozusagen fantasiehafte Frage, aber mit ernstem Hintergrund. Wenn du jetzt einen Zauberstab hättest, und wir haben ja gerade über einige Probleme gesprochen, welches der Probleme würdest du denn am liebsten einfach wegzaubern? Zugunsten von was? Also was wäre dann besser?
Herbert Fromme [00:25:27]:
Ich würde die Selbstzufriedenheit in den Vorstandsetagen deutscher Versicherer wegzaubern zugunsten 1 realistischen Bestandsaufnahme. Wir hatten vor kurzem in der Redaktion der SZ eine interessante Debatte das Loben. Da hat ein Kollege einen Kommentar geschrieben, der war auch sehr gut, dass zu viel gelobt wird. Also das schwäbische Motto, nicht geschimpft ist genug gelobt, gibt es ja auch, aber sowas nicht gemeint. Aber wenn zu viel gelobt wird, dann ist das Lob auch nichts mehr wert. Wenn zu viel Selbst- und Eigenlob dabei ist, dann ist das rechts nicht wert. Und die Versicherungswirtschaft ist richtig gut dabei, sich selbst zu loben. Und jeder einzelne Vorstand von so 1 kleinen Versicherheit, vielleicht 800 oder 1000 Leute, okay, das ist wie ein Kollege früher eine mittlere Marmeladenfabrik.
Herbert Fromme [00:26:14]:
Aber dieser Vorstand benimmt sich, als wenn ihm irgendwie die halbe Stadt gehört. Das geht nicht mehr. Eine große Bescheidenheit ist nötig. Ich war bei Element, nicht bei Element, bei, wer heißt die da amerikanische, Lemonade. Ich war bei Lemonade, als sie angefangen haben in New York, hab mit denen gesprochen und die hatten in den Fenstern immer so eine Folie, da war eine Schrift, eine transparente Schrift drauf, da stand it's not our money, das ist nicht unser Geld. Und das müsste sich eigentlich jeder Vorstand immer an jede Wand nageln, es ist nicht unser Geld. Die tun aber so, als wenn es ihr Geld wäre. Das ist ganz schrecklich.
Sebastian Langrehr [00:26:52]:
Woran liegt das aus deiner Sicht? Ist das der kulturelle Unterschied, siehe Amerika? Oder ist das ein Closed-Shop, dass man sagt, es gibt nicht so viele Vorstände. Wenn ich es bis dahin geschafft habe, dann will ich mich jetzt auch abgrenzen.
Herbert Fromme [00:27:04]:
Es ist immer noch gut gegangen bei den Versicherungsvereinen. Da haben wir jetzt wieder so einen Fall, wo der Sohn vom Vater übernimmt. Was ist das für ein Verein? Also der ja den Mitgliedern gehört, wo einfach der Sohn so übernimmt vom Vater. Wir hatten Fälle wie die Familie List früher bei der Inter. Die haben das wie ein privates Reich behandelt, haben keinen Cent reingetan an Kapital, aber die hatten eine Yacht, also ein Schiff irgendwo in der Ostsee für Kunden natürlich und wir hatten eine Jagd für Kunden, ich glaube in Polen war die und wir hatten dieses und jenes und Hauptnutzer war die Familie List. So was gab es immer gerade bei Versicherungsvereinen. Also wir haben da sehr viel Selbstzufriedenheit und eigentlich zu wenig Kontrolle, gerade in den Vereinen.
Alexander Bernert [00:27:53]:
Stichwort Vereine. Du hattest ja vorhin auch das Thema Konsolidierung angesprochen. Und wenn ich jetzt brauche, die Mehrzahl gerade der mittleren und kleinen Versicherer in Deutschland sind ja Vereine, notorisch schwierig zu konsolidieren. Und dann hast du auch das Thema noch mit der IT. Bei der Konsolidierung musst du ja auch irgendwas mit den alten Verträgen und Systemen und so weiter machen. Was ist denn aus deiner Sicht das Szenario, wie die Konsolidierung überhaupt stattfinden kann? Werden da die Vereine einfach eher... Also ist das Konsolidieren durch Verschwinden oder ist das Konsolidieren durch echte Zusammenschlüsse?
Herbert Fromme [00:28:28]:
Also es gibt beides. Es gibt einmal Marktaustritte, aber die Fusion von Vereinen, das ist zwischen juristisch und aussichtsrechtlich gelöst. Das hat die Gotha damals entwickelt, vor 25 Jahren mit Parion, dass man 2 Vereine zum Eigner von 1 Holding macht, die kein Verein ist und die operativen Veranstaltungen drunter hängt. So macht es jetzt auch die Bermenier und die Gotha machen es genauso und die süddeutschen Kranken und die Stuttgarter machen es auch so. Also du baust eine Holding in der Mitte, das ist eine Aktiengesellschaft, die Vereine sind die Besitzer der Holding, aber haben kein Geschäft mehr, also werden entleert vom Geschäft und unten drunter machst du operative Versicherer für Leben, Krankensach. Die Methode ist gefunden und die Buffin macht das auch mit heute. Das ist kein Problem mehr, Aber tatsächlich muss man dafür aber auch wollen und muss vielleicht sein kleines Fürstentum aufgeben, was man da hat und muss bereit sein Verantwortung zu übernehmen. Und die kann darin bestehen, dass man sagt, okay, ich mache die Fusion mit und dann war es das auch und tschüss, ich setze mich mit der guten Versorgung als Vorstandsmitglied in den Ruhestand, auch wenn ich erst 58 bin.
Alexander Bernert [00:29:37]:
Ja und das IT-Thema, wie sieht das damit aus?
Herbert Fromme [00:29:41]:
Ganz schrecklich. Also es gibt ja verschiedene Arten von Schulden. Wir haben Finanzschulden zum Beispiel. Wir haben zum Beispiel in Deutschland auch viele Infrastrukturschulden. Und es gibt IT-Schulden. Also wenn ich… Die Versicherungswirtschaft hat ja das Pech, der First Mover zu sein. Der erste EBM-Großrechner wurde in den 50er Jahren an die Allianz ausgeliefert. Wenn du First Mover bist, als erstes die großen Kisten da hast, als erstes IT richtig gut machst, weil du die Masse hast, weil du auch das technische Verständnis hast für große Zahlen und so weiter, dann Wenn sich dann die ganze Welt weiterentwickelt und du hast aber Riesenmillionen Summen drinstecken und du sagst, das geht doch noch, dann bist du nicht immer in der Lage, den nächsten Schritt zu machen.
Herbert Fromme [00:30:26]:
Und das ist der Versicherungswirtschaft passiert und jetzt ist sie tatsächlich in großer Not IT-technisch. Nicht umsonst hat es mindestens eine ganze Reihe von Fällen gegeben, wo die Buffen schon moniert hat, dass es nicht so weitergeht. Das haben wir DORA, das ist eine gesetzliche Regelung, die dafür sorgt, dass die Versicherer die IT entsprechend auf Stand haben müssen. Allein DORA wird für eine ganze Reihe von Fusionen sorgen. Alexander, was sagt dir die Landeslebenshilfe?
Alexander Bernert [00:30:59]:
Mal gehört, aber nicht genau.
Herbert Fromme [00:31:01]:
Ja, das ist eine kleine Gesellschaft gewesen in Lüneburg, ein paar Millionen Prämien, Schwester von der Landeskrankenhilfe, die waren in der Situation vor 2 Jahren, die konnten einfach das nicht mehr. Die konnten die Bafin-Anforderungen an ihre IT nicht mehr erfüllen. Das ging nicht. Und dann haben sie einen Käufer gesucht. Dann hat sie die Frankfurter Leben übernommen. Frankfurter Leben gehört einem chinesischen Investor, alles gut. Der hat die IT, der konnte sie auch nehmen. Aber die Frankfurter Leben hat gesagt, dafür zahlen wir natürlich nichts, wir brauchen eine Mitgift.
Herbert Fromme [00:31:36]:
Und dann hatte aber diese Landeslebenshilfe kein Geld. Und dann ist folgende geniale Lösung gefunden worden, die Landeskrankenhilfe, Die Schwester sozusagen, auch ein Versicherungsverein, hat 5 Millionen mit Gift gegeben, was ja eigentlich ein Ding ist. Ein Versicherungsverein, der den Versicherten der Landeskrankenhilfe gehört, hat einem anderen Versicherungsverein 5 Millionen geschenkt. Dann war die Frage, wie man das verbucht. Das haben sie gebucht unter Abwende von Reputationsschaden. Das fand ich mal eine elegante Umstellung dieses Problems. Also und so von der Art, dass du einen kleinen Versicherer hast, der nicht mehr kann. Und die haben ja alle noch selbst gestrickte IT-Systeme, die sie vor 20 Jahren gebaut haben, die auch schön waren.
Herbert Fromme [00:32:22]:
Und wenn sie dann neue einführen, dann brauchen sie lange und haben, manche haben ja gedacht, sie brauchen ein neues System, Das muss aber genau dasselbe können wie das alte, weil die Sachbearbeiter das verlangen und haben sich damit auf die Schnauze gelegt, was Thürich so gemacht hat. Die hat sich Gaidbauer geholt, hat dann 4 Jahre lang versucht, die Systeme nachzubauen von der Funktionalität her und waren kurz vor dem Scheitern. Da haben sie nochmal die Weiche umgelegt und das Ding auf eine ganz andere Zucht gebracht. Da musst du halt die Sachbearbeiter entsprechend umschulen. Aber der IT-Umbau ist ein Riesenproblem, das auch ganz viele Versicherer bisher mäßig angehen. Und die Ergo hat ja einen Altbestand der Jill gelegt und es sind viereinhalb Millionen Verträge. Die haben damit verschiedene Probleme mit. Zum Beispiel haben sie ab 2012 herausgefunden, dass die Lebensversicherungsrechenkerne, die alten, die aus den 80er oder 70er Jahren kommen, dass die falsch rechnen, wenn der Vertrag beendet ist.
Herbert Fromme [00:33:28]:
Dann rechnen die falsch. Und das ist aufgefallen. Da hat die BaFin darauf bestanden, dass sie händisch nachrechnen. Okay. Preisfrage an euch, wann ist das Problem behoben worden?
Alexander Bernert [00:33:41]:
Ist es schon behoben?
Herbert Fromme [00:33:42]:
Ja, 2023 ist es behoben worden. 2023. Und 2017 hat die Ergo beschlossen, die viereinhalb Millionen Altverträge, die da von der Viktoria leben und der alten Hamburg-Mannheimer kommen und so weiter, umzuheben auf eine neue Gesellschaft mit neuer IT, etc. Und das haben sie 2018 dann angefangen und sind dann mit IBM zusammen und verschiedenen anderen und haben nicht richtig die Fortschritte gemacht und jetzt haben sie einen neuen Zeitplan gemacht, das soll 2030 fertig sein. Von 2017 bis 2030. In der Zeit haben die Chinesen 3 Generationen KI für die Versicherungswirtschaft nicht nur ausgerollt, sondern schon wieder eingestampft, die nächste genommen. Versteht ihr, warum das nicht geht? Also das geht nicht mehr so. Das geht so lange, solange ganz viel Fett in den Unternehmen ist, Substanz da ist und eine Aufsicht da ist, die sagt, ja, muss halt wohl so sein, machen wir alles mit.
Herbert Fromme [00:34:43]:
Aber das kann so nicht bleiben.
Alexander Bernert [00:34:46]:
Das Geschäftsmodell ist halt sehr, sehr träge. Ich glaube, das ist der entscheidende Punkt. Selbst wenn es nicht weitergeht, die Verträge sind erst mal da und die laufen und die bringen auch noch Geld und Liquidität sozusagen und man kann da Kosten drauf buchen, Aber irgendwann merkt man dann, es geht dann absehbar doch nicht weiter. Da war auch für mich die Frage, ob IFRS 17, das ja viel stärker sozusagen auch in die Zukunft auch bei solchen Themen guckt und sagt, habt ihr da noch Liabilities, ob das möglicherweise auch einen Effekt haben wird?
Herbert Fromme [00:35:17]:
Die meisten werden es nicht anwenden in Deutschland. Darf ich noch ein Argument loswerden, das mir ein bisschen am Herzen liegt? Das ist das Argument, das ich gerne im Gespräch mit Versichern betone. Ich sage mal, ihr verliert gerade an Bedeutung. Dann sagen die, wieso das denn? Da sage ich ihnen einmal, also guckt mal auf die Industrieversicherung, okay, was der für Sorgen hat, dieser Industriemann, der hat Lieferkettenprobleme, der hat Fachkräftemangel, der hat Zölle in den USA, der hat die EU-Auflagen und so weiter, der hat alles Mögliche und von deinen ganzen Problemen und Risiken könnt ihr ihm in einem ganz kleinen Teil nur helfen, vielleicht 8 oder 10 Prozent oder so was, wenn man es beziffern würde. Das ist die Industrie, okay. Und was mit Privatleuten? Wir haben mal gerechnet, wie viel die Deutschen sparen, so über Zeit. Wir haben 2015, haben die Deutschen 184 Milliarden in dem Jahr gespart, 184 Milliarden Euro. 2024 waren es 292 Milliarden Euro, 59% mehr, eine heftige Steigerung.
Herbert Fromme [00:36:23]:
Die Lebensversicherer haben 2015 88 Milliarden Euro eingenommen, 20 an Prämie, 2024 94 Milliarden Euro, das ist über die ganzen 10 Jahre 6% mehr, 6, 8% mehr. Das heißt, das Sparaufkommen der Deutschen ist 60 Prozent hochgegangen, die Prämie der Lebensversicherer 6, 8 Prozent. Und wenn man die gesamte Schaden-Unfall-Versicherung nicht nur der Industrie guckt, die hatte vor 20 Jahren 2, 5 Prozent vom Bruttosozialprodukt und inzwischen sind wir bei 2, 1. Also die Versicherungswirtschaft wird unwichtiger. Und das ist wichtig, dass man das versteht.
Simon Moser [00:37:01]:
Ja, das muss auf jeden Fall in den Vorstandsabteilungen ankommen und da muss ein massiver Umbruch kommen. Sonst schauen wir mal, wo wir in 10 oder 20 Jahren sind. Das bringt uns nämlich auch zu unserer letzten Frage. Mit Blick in die Zukunft, Wird Versicherung in 10 oder 20 Jahren denn immer noch so laufen wie heute und eigentlich ja schon seit der Zeit von Haley, Bernoulli und so weiter, als die Mathematik zum ersten Mal in die Versicherung kam? Oder wird sich in den nächsten 10 bis 20 Jahren seit wahrscheinlich 400 Jahren zum ersten Mal was radikal ändern und wenn ja, was?
Herbert Fromme [00:37:35]:
Also wenn nicht der Staat reingerätscht und die jetzigen Verhältnisse gesetzlich zementiert, was er ja ein bisschen schon versucht hat, indem er den Start-ups in der Versicherungswirtschaft das Leben wirklich sehr schwer gemacht hat. Also die Engländer hatten diese Sandkasten-Approach, dass man, wenn man neu ist, vielleicht ein bisschen leichter, etwas lockerer behandelt wird. Also wenn der Staat nicht sagt, zum Beispiel ist es verboten, dass ein KI-Agent eine Versicherung kauft, also so was zum Beispiel oder irgendwelche Maßnahmen da trifft, dann wird sich der Markt dramatisch ändern. Es wird weiter Risikoträger geben und wenn sie klug sind, werden sie auch neue Risiken, KI ist ja selber auch ein Risiko für die Betreiber der KI, wird neue Risiken, Cyber und das alles auch abdecken. Das Geschäftsmodell jetzt, dass man mit einem Menschen redet und ihm sagt, was er kaufen soll und ihm nicht mal sagen kann, wenn man gebundener Vertreter ist, welche 5 tollen Angebote man hat, dann hat man das eine oder vielleicht 2 von demselben Versicherer. Da mit der KI mitzuhalten, die dir auf Knopfdruck sagt, es gibt die 10 besten Versicherer, sind die, das muss ja nicht mal stimmen. Das wird ja auch nicht stimmen. Also wenn mir die KI sagt, welche 10 Punkte schlecht sind bei 1 Polizei, sind 5 dann wahrscheinlich Quatsch.
Herbert Fromme [00:38:53]:
Und 3 sind juristisch nicht einklagbar und 2 machen vielleicht Sinn. Aber ich habe diese 10 Punkte und freue mich jetzt zum Vertreter. Wenn er klug ist, hat er das auch gemacht, aber wirklich ist er nicht klug und glaubt, er weiß es besser als ich. Und das Informationsungleichgewicht zwischen Anbieter und Kunde wird zum Teil aufgehoben und das wird ganz viel ändern.
Simon Moser [00:39:14]:
Ja, da stimme ich absolut überein. Dann zu unserer Abschlusskategorie Famous Last Words. Du darfst den Leuten hier im Podcast noch etwas mitgeben, was du ihnen vielleicht schon immer mal mitgeben wolltest oder was du schon immer mal loswerden wolltest. Es darf gerne provokativ werden, es darf gerne polemisch werden, dafür bist du ja ganz unbekannt, das zu tun. Deswegen darfst du es jetzt einmal und vielleicht zum ersten Mal in deinem Leben mal so richtig sagen. Nein.
Herbert Fromme [00:39:42]:
Also bis vor etwa 100, 10, 120 Jahren waren die Mitarbeiter der Versicherer Versicherungsbeamte. Und ein bisschen ist dieses Beamtenmäßige immer noch da, auch bei manchen Vorständen. Also macht euch mal locker und es gibt ein Leben nach der Versicherungswirtschaft, das ist ganz wichtig für alle Beteiligten. Macht euch ein bisschen locker und seht ein bisschen realistisch auf eurer eigenen Bude, auf dieser mittleren Ladenfabrik mit den 800 Leuten. Also und dann macht was draus, dass die Mitarbeiter so lange wie es geht irgendwie überleben können in dem in dem Laden. Das wäre wirklich schön und Es wäre auch toll, wenn ihr dafür sorgt, dass euer Laden vielleicht bei den Veränderungen, die es gibt, vorne dabei ist und nicht der letzte, für den sich dann wirklich kein Mensch mehr interessiert.
Sebastian Langrehr [00:40:45]:
Herrliches Schlusswort, Simon. Und ich überlasse es dir auch gleich, aber ich will einmal noch kurz sagen, dann kriegt ihr ja womöglich für Sie auch endlich wieder die Alltagsrelevanz, wie sie Marmelade schon längst hat. Jedenfalls auf Privatkundenseite. Und ich wollte nur sagen, das schreit ja jetzt schon nach 1 Wiederholung. Herbert, vielen Dank für das Gespräch und deinen Besuch. Aber Simon...
Herbert Fromme [00:41:08]:
Ich habe jetzt vergessen, den Werbeblog zu machen. Natürlich müssen alle, wenn sie überhaupt was werben wollen, der Wortschön-Versicherungsmonitor lesen. Das ist ja klar. Aber das dürft ihr nicht rausschneiden. Das muss drin bleiben.
Sebastian Langrehr [00:41:19]:
Das bleibt drin zusammen mit dem Discount-Link, den wir da gerne mit drunter klemmen. Sobald wir diese Folge veröffentlicht haben und natürlich verbunden damit, hört auch gerne weiterhin Insurance Monday.
Simon Moser [00:41:32]:
Nicht nur hören, auch liken, auch die Folge bewerten. Vielen Dank an alle Beteiligten. Vielen Dank Herbert, vielen Dank Sebastian, vielen Dank Alex. Liebe Hörer, bis zum nächsten Mal. Wir hören uns Montag in der Woche wieder. Bis dann, schöne Zeit. Ciao, ciao.
Herbert Fromme [00:42:00]:
Untertitel von Stephanie Geiges